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Channel: Themen – HR-PR Consult Dr. Manfred Böcker GmbH
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Employer Branding: Nachruf auf einen Trend (I)

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Es war im Jahr 2007 als die damals frisch aus dem Werbeei geschlüpfte „Deutsche Employer Branding Akademie“ allein  fast ein ganzes Heft einer renommierten Fachzeitschrift (und danach auch anderer) mit einem Employer Branding-Solo füllte. Seitdem ist viel passiert. Die Nachricht, derzufolge ein Unternehmen ohne ausgefeiltes „Employer Branding“ bald kurz vor dem Konkurs steht, ist mittlerweile durch. Zumindest die meisten der großen Unternehmen haben einen entsprechenden Prozess durchlaufen. Das Ergebnis ist allerdings in den meisten Fällen erstaunlich. Die Differenzierungstechnik Employer Branding hat erstaunlich viel Uniformität im kommunikativen Endergebnis zustande gebracht. Und irgendwie ist die Luft aus dem Thema raus. Das zeigen sowohl die Veranstaltungen der HR-Zunft in diesem Jahr als auch die entsprechenden Themenschwerpunkte und Sonderhefte in den HR-Fachzeitschriften, deren Zahl aktuell wieder deutlich rückläufig ist. Das Thema ist einfach depriorisiert. Behaupten wir heute einfach mal zugespitzt: „Employer Branding ist tot“.

Aufgaben bleiben
Uns ist dabei zum einen schon klar, dass die Employer Branding-Welle sehr viel Gutes bewirkt hat und zum anderen, dass die mit Employer Branding verbundenen Aufgaben bleiben: Unternehmen müssen herausfinden, wofür sie als Arbeitgeber  stehen, ihre Atrraktivität den sich ändernden Bedingungen auf den Talentmärkten kontinuierlich anpassen und so sie kommunizieren, dass sie sich vom arbeitgeberseitigen Wettbewerb unterscheiden. Der HR-Dienstleistungsmarkt hält heute dafür nur eine Antwort parat: Employer Branding. Doch was kommt als Nächstes? In unserem mehrteiligen Abgesang blicken wir auf die Vergangenheit zurück und wagen einen Blick in die Glaskugel.

Rückblick auf 15 Jahre Arbeitgeberwerbung
Als Ende der 1990er Jahre offiziell der „War for Talent“ in Deutschland ausgerufen wurde, bemaß sich die Wertschätzung der meisten Personalmarketing-Verantwortlichen vor allem an der Größe ihrer Media-Budgets. Agenturen verdienten gut. Arbeitgeberkommunikation funktionierte ungefähr so: Man suchte sich eine Agentur aus, ließ sie nach Briefing Bilder und Texte entwerfen und schickte die Kommunikation dann in Form von „Kampagnen“ auf den Weg. Fest glaubten die Verantwortlichen an die Macht von Bildern und Claims. Die Botschaft zählte – und die wurde ganz plakativ ausformuliert und direkt zur gefälligen Entgegennahme übermittelt. Dass man die Zielgruppen über handfeste Angebote informieren, sie mit Geschichten und Fakten überzeugen und ihnen zudem halbwegs reinen Wein einschenken musste, galt als Ketzerei. „Das ist nicht der Punkt. Wir brauchen einfach ein bisschen Propaganda“, beantwortete noch 2004 ein Personalleiter meine Frage, ob die Kampagneninhalte denn einigermaßen den Stand der Dinge im Unternehmen widerspiegelten.

Zaubersalz statt Kommunikation
Aber zurück in die Neunziger. Damals arbeitete ich als Redakteur beim Karrierenetzwerk e-fellows.net. Die Redaktion bestand vorwiegend aus jungen Männern und Frauen mit journalistischem Anspruch, den sie in die Arbeitgeberkommunikation einbrachten. Nicht immer war dieser Ansatz von Erfolg gekrönt, da er zum Teil hart mit den damals üblichen Glaubensüberzeugungen im „Personalmarketing“ kollidierte: In zahllosen Abstimmungsschleifen als unabänderlich festgelegte Bildwelten, Slogans und Textbausteine verschafften nach dessen Verständnis wie Zaubersalz den Zugang zu Köpfen und Herzen der Bewerber. Hinweise auf Zielgruppenorientierung, Medieneignung, Verständlichkeit oder andere Aspekte des gesunden kommunikativen Menschenverstandes vermochten diese Überzeugungen kaum zu erschüttern. So wurde uns eines Tages von einem Unternehmen ein Text, in dem es um „Werte“ ging, zum Durchreichen an die Zielgruppe übergeben. Der Text bestand vorwiegend aus abstrakten Substantivierungen, Bandwurmsätzen und Passivkonstruktionen, hinter denen die handelnden Subjekte ebenso wie die Unternehmenswerte verschwanden und dessen nur schwer zu entziffernde Abstraktheit an völlige Sinnfreiheit grenzte.

Arbeit an der Arbeitgebermarke
Unsere Hinweise auf die mangelnde Eignung für die Zielgruppe und fürs Medium (damals waren schließlich kurze Seiten, kurze Sätze und „Chunking“ im Online-Journalismus gerade besonders hip, und wer etwas auf sich hielt, hatte die entsprechenden Passagen aus Jakob Nielsens „Usability“ inhaliert) stießen auf taube Ohren. Doch nicht nur in diesem Fall fuhren wir frontal gegen die Wand; die Verantwortlichen im Unternehmen bestanden darauf, den Text 1:1 an die Zielgruppe zu kommunizieren. Ihr Argument: Nur so könne „Arbeit an der Arbeitgebermarke“ funktionieren. Arbeitgeberkommunikation als kommunikativer Dauersport, verschärfte Übung in Zielgruppenorientierung, Dauerlauf über Aufmerksamkeitshürden und permanente Erzählung jenseits von fest zementierten Kampagnenbotschaften war den meisten Personalmarketingverantwortlichen fremd.

Professionalisierungswelle
Ich erlaube mir jetzt etwas zu springen: Nach 2005 rauschte die erste Professionalisierungswelle in Gestalt von Employer Branding heran – mit allem Zipp und Zapp und einer eigenen „Akademie“, die kein Hochschulinstitut, sondern eine ganz normale gewinnorientierte GmbH war und das Thema zumindest für einige Monate lang erfolgreich publizistisch monopolisierte. Danach folgten ein paar Jahre der intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema auf Kongressen, in zahllosen Titeln in HR-Fachzeitschriften und einem endlosen Reigen von Studien, Sonderpublikationen und Thesenpapieren. Alles sollte angesichts des „Fachkräftemangels“ und des verschärften „War for Talent“ besser und strategischer werden, sich vor allem an der Unternehmensmarke ausrichten. Das war ebenso richtig wie banal, hatte aber die unerwünschte Nebenwirkung, dass einige Unternehmen begannen, mit Bewerbern wie mit ihren Kunden zu sprechen und ungefiltert Botschaften aus dem Produktmarketing auf die Bewerberwelt loszulassen. Versatzstücke dieses Prinzips finden sich bei genauerem Hinschauen noch heute in der Arbeitgeberkommunikation, worüber sich Nicht-Eingeweihte verwundert die Augen reiben.

Employer Branding – Mission erfüllt?
Aber nicht alles war schlecht an der Employer-Branding-Welle. Mitarbeiterbilder statt Testimonials aus der Datenbank und Statements dieser Mitarbeiter hielten massenhaft in die Arbeitgeberkommunikation Einzug.  Die wichtigste Wirkung aber ging über die Kommunikation hinaus: Mittlerweile gilt es unter Kennern der Materie als selbstverständlich, dass die Arbeit an der Arbeitgebermarke deutlich mehr umfasst als Kommunikation. Vielmehr geht es wie bei anderen Marken darum, Bedarf und Angebot in Einklang zu bringen. Employer Branding hieß auch Arbeit an der Substanz. Arbeitgeber sollten ein Angebot schaffen (Arbeitsbedingungen, Kultur, Vergütung etc.), das kritische Talentzielgruppen
überzeugt. Und es ging um Differenzierung – auch in der Kommunikation. Employer Branding versprach eine Bewegung weg vom Einerlei der ausgelutschten Personalmarketingphrasen und eine spezifischere Form der Kommunikation. Mittlerweile ist Employer Branding kein Hype mehr, sondern in der „Mitte der HR-Gesellschaft“ angekommen.

Hauptversprechen ungeingelöst
Trotz des Siegeszugs von Employer Branding aber bleibt das Hauptversprechen des Konzepts uneingelöst: Die Differenzierungstechnik hat überraschend viel Gleichförmigkeit produziert. Die Suche nach „hervorragende Karrierechancen“ etwa erzielt in den gängigen Suchmaschinen aktuell rund 300.000 Treffer. Wenn ich auf die Texte und Bilder der Karrierewebsites oder Stellenanzeigen schaue, gibt es dort immer noch reichlich viele der in jahrzehntelanger Personalmarketingpraxis hoffnungslos überbeanspruchten Teamsportmotive oder Worthülsen:

  • attraktive Karrierechancen
  • hervorragende Entwicklungsmöglichkeite
  • spannende Perspektiven
  • individuelle Förderung
  • gefördert und gefordert
  • jetzt ist die Karriere dran
  • Mensch im Mittelpunkt

Austauschbare Aussagen
Argumente, Sprachduktus und sogar die Wortwahl sind über Unternehmen und Branchen hinweg in weiten Teilen austauschbar. Nun, das liegt sicher daran, dass sich Employer Branding bei den kleineren Unternehmen noch nicht genug durchgesetzt hat, oder? Das ist richtig, davon rede ich aber hier nicht. Ich rede von jenen Unternehmen, die groß genug sind, um einen Employer-Branding-Prozess durchlaufen zu haben und ihre Kommunikation an dieser Analyse auszurichten. Woran liegt es aber, dass alles wie aus einem Guss klingt? Ist es fehlender Mut oder die Macht der Gewohnheit, sich vom etablierten Botschaftenset à la „attraktive Karrierechancen“, „hervorragende Entwicklungsmöglichkeiten“ und „Arbeiten beim Marktführer“ zu lösen? Überraschend wenig spielen Unternehmen im Vergleich zu klassischen Karrieremotiven zum Beispiel Sinnthemen in ihrer Arbeitgeberkommunikation.

Durchsickernde Standardphrasen
Siegt hier die Tradition, auf die in 20 Jahren Personalmarketing etablierten Standards zurückzugreifen, selbst wenn diese die Zielgruppen nicht mehr erreichen? Müssen „Karrierewebsites“ unbedingt penetrant „Karriere“ zum Thema machen und das Wort dabei möglichst oft verwenden? Oder ist es die Unfähigkeit, zwischen den „Botschaften“ und der Kommunikation dieser Botschaften zu differenzieren? Branding hat sich auf diese Weise oftmals mit dem bloßen „Markieren“ beschäftigt und kam eher „inhaltsleer“ daher. Am Ende einer soliden Employer-Branding-Analyse stehen ein Set von Stärken und Schwächen und eine Empfehlung für mögliche Faktoren der Differenzierung in der Kommunikation. Es bleiben dabei solche Faktoren übrig, die authentisch sind (also zur Arbeitgeber-Substanz passen), von den Talentzielgruppen hoch priorisiert werden und das Unternehmen vom arbeitgeberseitigen Wettbewerb differenzieren
können.

Umsetzung nicht trivial
Die Umsetzung dieser Botschaften in Kommunikation ist nicht trivial. Für einen großen Industriekunden habe ich vor einigen Jahren einmal nichts anderes gemacht, als die Differenzierungsfaktoren mit Fakten und Geschichten zu verbinden und dazu kleine Grundlagentexte zu formulieren. Aus diesem Set haben sich dann weltweit sämtliche Agenturen bedient, die mit der Umsetzung der Employer-Branding-Kommunikation beauftragt wurden. Ich halte diesen Zwischenschritt für eine gute Idee, weil die Hausagenturen der Unternehmen häufig damit überfordert sind. Um die in diesem Abschnitt gestellte Frage zu beantworten: Die Mission von Employer Branding ist noch nicht erfüllt. Zum einen liegen Fehler im Prozess an der Wurzel des Problems: Auf dem langen Weg von der Analyse zur kommunikativen Umsetzung geht die Differenzierung verloren. Es liegt aber aus meiner Sicht auch daran, dass die Akteure fast ausschließlich werblich getrieben sind . Der externen Arbeitgeberkommunikation fehlt es aktuell einfach an PR-Know-how, Strategien und Formaten.

Der Post ist ein leicht bearbeiteter Auszug aus meinem Buchbeitrag: „Warum es sich lohnt, über Employer Reputation nachzudenken“, in: B. Schelenz/T. Bittlingmayer: Employer Reputation, Freiburg/München 2015. Der zweite Teil des Employer Branding-Nachrufs erscheint in Kürze auf diesem Blog.

 

 


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